Der Spagat mit den Entscheidungen… und mehr vom Lebensgarten!

Besuch im Lebensgarten Steyerberg - Teil 2; außerdem einiges rund ums Thema Entscheidungsprozesse.

Ja nun – so schnell geht das, jetzt bin ich erstmal im Lebensgarten Steyerberg (westlich von Hannover) „hängengeblieben“ 😀   Ich hatte letztens hier schon etwas über den Lebensgarten geschrieben.

Das ist eine Reihenhaussiedlung mit mehreren Straßen, am Waldrand und etwas außerhalb des eigentlichen Dorfs Steyerberg. Platz für Bauwägen, Jurten etc. gibt es hier leider nicht – bzw. es gibt schon einen Bauwagenplatz etwas außerhalb des Lebensgartens, der allerdings belegt ist.

Einige Häuser befinden sich im Privatbesitz von Vereinsmitgliedern („Lebensgärtnern“), andere sind vermietet. In einigen Häusern wohnen Einzelpersonen oder Familien, in anderen sind WGs. Ansonsten gibt es auch eine wachsende Anzahl an Menschen, die sich mit dem Lebensgarten verbunden fühlen, doch nicht direkt darin wohnen bzw. im Verein sein wollen – diese können auch einfach in die Nähe des Lebensgartens ziehen und sich auf die Weise in die Gemeinschaft einbringen, wie sie möchten.

Der Spagat mit den Entscheidungsprozessen

Die Entscheidungsprozesse wurden hier vor einigen Jahren auf „Soziokratie“ umgestellt, und sind laut Aussage einiger „alter Hasen“ derzeit ziemlich zeitaufwändig.

Interessant ist für mich die Frage: Ist es überhaupt möglich, Entscheidungsprozesse in größeren Gruppen so zu gestalten, werden, dass nicht zuviel Zeit dafür draufgeht – und sich doch jedes Mitglied bei den Entscheidungen einbringen kann, die ihn angehen?

Das scheint mir ein schwieriger Spagat zu sein. In den Gemeinschaften, wo ich bisher war – nur vier, aber immerhin – habe ich immer wieder gehört, dass für die Koordination von Aktivitäten und Entscheidungen ziemlich viel Zeit verwendet wird.

Immer sind es die gleichen Probleme: Einige reden zuviel… verschiedene Aufgabenbereiche zu koordinieren, fällt schwer… es werden Themen ins Plenum eingebracht, die nur wenige interessieren…doch wenn man dann Untergruppen bzw Gremien bildet, geht eher noch mehr Zeit für Sitzungen drauf… und so weiter.

Wie könnte eine optimale Lösung aussehen? Inwiefern ist es die Zeit wert? Ist „ein bisschen Hierarchie“ vielleicht doch nützlich, um Entscheidungsprozesse effektiver zu gestalten?

Was für ein komplexes Thema! Ich glaub da könnte man sich mehrere Leben lang mit beschäftigen…

Platz für viele Lebensentwürfe… und Koordinationsprobleme

Der Lebensgarten befindet sich derzeit sehr im Umbruch und viele Fragen sind offen. Was bleibt von der alten Gründungsvision von 1985? Wie geht es mit dem Permakulturgarten weiter, dessen ehemaliger Hauptverantwortlicher sich jetzt nicht mehr so viel einbringen kann bzw. möchte? Kann der Seminarbetrieb sinnvoll weitergehen, wenn ja wie? Und vieles mehr. Spannende Prozesse gerade…

Jeder, der hier lebt, hat die Möglichkeit, sich individuell einzubringen. Sei es im Bioladen, im Permakulturgarten, im Seminarbetrieb, und vieles mehr. Es gibt eine vegetarische Großküche, wo größtenteils an Wochenenden für den Seminarbetrieb gekocht wird, und eine weitere große Küche in einer WG, wo an Wochentagen für 10-15 Leute vegan gekocht wird.

Es gibt mehrere Foodsharing-Kisten im Dorf, wo jeder überschüsiges Essen hineinlegen und herausnehmen kann; ein Supermarkt liefert morgens an jedem Werktag weggeworfene Lebensmittel vom Vortag an; es gibt einen „Fundus“ mit nicht mehr gebrauchter Kleidung und anderen Sachen; es gibt diverse Veranstaltungsräume, die auch von Lebensgärtnern genutzt werden.

Es gibt regelmäßige Mediationen, Mantrasingen, Kreistänze, Yoga, Kontaktimprovisation, eine Trommelgruppe, ein regelmäßiges Vollmondritual und vieles mehr.

Freitagabends wurde seit neuestem ein offener Abend ins Leben gerufen, wo jeder z.B. eine Diskussion oder Lesung und sonstiges anbieten kann. Und danach wird getanzt… wer gerade Musik dabeihat, darf auflegen 😀

Viele tolle Projekte! Doch die sinnvolle Koordination fällt teilweise schwer. Ein Beispiel: Das Gemüse für die eben genannte WG-Küche kommt von einem Biobauern in der Umgebung… anstatt aus dem dorfeigenen großen Permakulturgarten, und kaum jemand im Lebensgarten isst das im Permakulturgarten produzierte Gemüse. Es scheint auch zum großen Teil an der „Supermarktmentalität“ zu liegen – im Garten kriegt man nicht alles zu jeder Zeit… hmpf. Doch das könnte sich alles in der nächsten Zeit ändern, da gerade in diesem Jahr ein neues junges Team die Leitung des Permakulturgartens übernommen hat. Mal sehen!

Es gibt noch vieles vom Lebensgarten zu erzählen – hier geht’s zum dritten und letzten Teil…

Jetzt erstmal raus in die Sonne, und zum Tag der offenen Tür der Freien Schule in Steyerberg…

2 Responses

  1. Hallo Manuela,
    Ich habe um das Jahr 2000 eine Weile am Rand vom Lebensgarten in einem Bauwagen gelebt. Mein Eindruck vom Lebensgarten war, dass es zu sehr Dorf und zu wenig Gemeinschaft ist, um ein starkes Wir-Gefühl zu entwickeln.

    Wenn man auf einer Distanz bleibt, bei dem man vom anderen persönlich nicht mehr viel mitbekommt, verfestigen sich Vorurteile und der Abstand auch. Es braucht genug Nähe, um mit den anderen so viel Gemeinschaft zu bilden, dass man sich wirklich zugehörig fühlt und voll einbringen will, denke ich.

    Was meinst Du?

    1. Der Lebensgarten hat seine Vorteile und Nachteile. Es liegt aus meiner Sicht nicht an der Größe der Gemeinschaft oder mangelnder Nähe – Einzelne sind sich dort durchaus nahe; und zuviel Nähe in Gemeinschaft kann auch sehr kontraproduktiv sein. Das habe ich auch immer wieder erlebt.
      Ein Hauptpunkt ist aus meiner Sicht, dass dort – wie leider in vielen Projekten – wenig gemeinsame Ausrichtung zu spüren ist. Das zeigte sich in der Praxis u.a. darin, dass es keinen wirklich festen Aufnahmeprozess gibt – so dass Leute mit sehr verschiedene Werten einziehen, so dass dann auch einzelne Gruppen an verschiedene Strängen ziehen und einander eher behindern als unterstützen. ‚

      Schau gerne mal meine Übersichtsartikel zum Thema Erfolg und Scheitern von Gemeinschaften an – hier ist der erste:
      https://transformatorium.space/erfolg-und-scheitern-von-gemeinschaften-woran-liegts/

      Der Stamm der Likatier – wo ich leider noch nicht vor Ort war – ist eine der sehr wenigen großen Gemeinschaften, die es wirklich geschafft haben, ein WIR-Gefühl zu erschaffen. (Einfach googlen, dann findest du deren Homepage)

      Viele Grüße!
      Manuela

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